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Was war das Endziel der RAF?

Frage: In der Antwort auf die Frage Was waren die Ziele der RAF? heißt es "bewaffneter Widerstand und Umwerfung vorhandener staatlicher Strukturen". Doch es wird leider nicht beantwortet, was das Endziel war? Nachdem sie es geschafft haben, den existierenden Staat zurückzudrängen - wie stellten sie sich das neue "Gesellschaftsleben" vor?
Frage von anonym (22.05.2003)

Antwort:

Richard Huffman hat dazu etwas auf seiner Seite geschrieben: Weblink:The RAF's concept of a utopian society - für alle deren Englisch nicht ausreicht um das Original zu lesen, gibt es hier eine grobe Übersetzung:

Die Literatur über die RAF erwähnt nur selten wie die Aktivisten sich die ideale Gesellschaft vorstellten. Was würde passieren nach der Revolution? Träumten sie von einer Marxistischen Gesellschaft geführt von einer Elite? Und falls ja - sahen sie sich selbst in der Rolle der führenden Partei? Oder träumten sie einfach nur von einer friedlichen Gesellschaft Gleicher, einer Art Utopia? Glaubst du sie dachten viel darüber nach was nach der Revolution passieren würde nach oder waren sie viel zu beschäftigt damit vor der Polizei zu flüchten?
Sara B. Falkenberg, Schweden

Du stellst einige der entscheidensten Fragen zum gesamten Thema; Fragen die ich selbst im Detail untersucht habe (und noch immer nicht zu einer konkreten Meinung gefunden habe). Meine Meinung ist natürlich nicht die gleiche wie die anderer, vor allem die der ehemaligen Mitglieder der RAF.

Ich denke nicht wirklich, dass Kurzbiografie:Gudrun Ensslin, Kurzbiografie:Ulrike Meinhof und der Rest wirklich viel über das "Utopia" nachdachten in welches sie zu führen versuchten. Es war alles sehr wage. Hauptsächlich befassten sie sich damit den kapitalistischen Staat und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten anzugreifen.

Klar ist, dass sie sich als marxistische Revolutionäre bezeichneten, klar ist auch, dass sie versuchten die Gesellschaft zu ändern aber da hört die Klarheit auf. Ausnahmslos betrachten sie (wenn ich "sie" sage, dann meine ich alle radikalen linken Intellektuellen dieser Zeit, denen die RAF klar folgte) andere marxistische Gesellschaften als Vorbild, jedoch fanden sie auch an diesen viele Fehler - deshalb konnten sie nicht sagen, dass Russland zum Beispiel die Gesellschaft sei die sie anstrebten. Generell fühlten sie sich weniger zu Staaten nach dem "Eisernen Vorhang"-Modell der Sowjetunion und dem gesamten Ostblock hingezogen, sondern waren mehr inspiriert von Staaten wie Cuba oder Nord Vietnam. Aber fast jede Gesellschaft die untersucht wurde hatte offensichtliche Fehler, deshalb flüchteten sich die Intellektuellen oft in die von kommunistischen Führern wie Mao entworfenen theoretischen Gesellschaften der 30er die jedoch in den 60ern nicht umgesetzt wurden. Mit anderen Worten: Mao hatte recht vor 30 Jahren aber hat es total versaut als er versuchte es durchzuführen.

In den späten Sechzigern gab es viele Diskussionen über die Rolle einer Avantgarde (Elite) der marxistischen Bewegung. Der französische Proto-Revolutionär Regis Debray (der mit Ché Guevara kämpfte und ein Jahr im Bolivianischen Gefängnis verbrachte) schrieb über diese Frage in seinem "Die Revolution in der Revolution". Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr komplett an seine Argumentation erinnern, aber ich erinnere mich dass er die Frage diskutierte ob eine avantgardistische Gruppe von Revolutionären die für die Revolution kämpfte die wahre Partei repräsentiere oder ob sie nicht vielmehr eine temporäre Phase darstellen bevor die wahre Partei die Führung übernimmt.

Das ganze Problem mit den meisten europäischen revolutionären terroristischen Bewegungen war, dass sie für den Erfolg ihrer Bewegung letzten Endes die Unterstützung der proletarischen Massen gewinnen mussten. Aus offensichtlichen Gründen ist dies nie gelungen. Schließlich nahmen Kurzbiografie:Baader, Kurzbiografie:Meinhof und der Rest die elitäre Einstellung an wie sie von Debray diskutiert worden war. Sie meinten, dass das Proletariat durch den temporären Komfort einer lähmenden kapitalistischen Gesellschaft versklavt sei und durch eine erleuchtete Elite informiert werden müsse; für die RAF war klar, dass dies ihre Aufgabe war. Der Weg die Menschen zu informieren war den Staat anzugreifen und damit eine massive "faschistische" Reaktion zu provozieren und so die Menschen über die Wahre Natur des deutschen Ungeheuers aufzuklären. Da sie so gefangen in den intellektuellen, internen marxistischen Debatten der Zeit waren, verstanden sie leider nie, dass die Menschen -- das "Proletariat" -- ihre Aktionen nie überzeugend finden würden.

Die Definition von "Avantgarde" oder "Elite" meint eine kleine Gruppe an der Spitze einer größeren Gruppe. Da die RAF jedoch nie das Denken des Proletariats verstand, waren sie nie die Avantgarde einer Massenbewegung. Diese selbsternannten Eliten waren nicht die Avantgarde von irgendetwas sondern nur ihrer selbst.

Es gibt die Auffassung, dass Terrorismus nie erfolgreich war. Das ist falsch. Terrorismus war erfolgreich wenn es ein Teil eines Feldzuges für Ziel war, das von der Mehrheit der Menschen unterstützt wurde. Zum Beispiel war die Irgun Bewegung, die half Israels Unabhängigkeit zu sichern klar terroristisch. Dasselbe gilt für die IRA der 1920er Jahre die die Unabhängigkeit für fast ganz Irland brachte.

Wenn aber die Gründe für den Terrorismus sich soweit von den Zielen der Menschen entfernen wie im Fall der RAF, hat er absolut keine Chance auf Erfolg.

Antwort von Kontakt:Andi (30.05.2003)



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