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Verfassungsschutzbericht 1989

3.2 Rote Armee Fraktion (RAF) und Umfeld

Mit dem 10. bundesweiten kollektiven Hungerstreik der "Gefangenen aus RAF und Widerstand" vom 1. Februar bis 12. Mai 1989 sollten nach einer vierseitigen Hungerstreikerklärung, die der RAF-Häftling Helmut POHL zu Beginn des Streiks stellvertretend für die "Gefangenen der RAF" abgab, u. a. folgende Forderungen durchgesetzt werden:
  • Zusammenlegung aller Gefangenen aus Guerilla und Widerstand in ein oder zwei große Gruppen
  • Freilassung der Gefangenen, deren Wiederherstellung nach Krankheit, Verletzung oder Folter durch Isolation unter Gefängnisbedingungen ausgeschlossen ist,
  • freie medizinische Versorgung ohne Staatsschutzkontrolle für alle Gefangenen sowie
  • freie politische Information und Kommunikation der Gefangenen mit allen gesellschaftlichen Gruppen.
Der Hungerstreik wurde nach dem Vorbild eines 1981 von Häftlingen der Irischen Terrorgruppe "Irish National Liberation Army (INLA)" geführten Hungerstreiks mit Unterbrechungen als sogenannter Kettenhungerstreik durchgeführt.

Im Verlauf des Hungerstreiks kam es zu Brandanschlägen, Sachbeschädigungen und Bombendrohungen, zu Flugblatt,- Transparent- und Farbsprühaktionen, zu Besetzungen, Demonstrationen und zu anderen Solidaritätsaktionen von Personen des RAF-Umfeldes, des sonstigen terroristischen Umfeldes und des autonomen Spektrums. Überregionale Bedeutung hatte eine am 29. April 1989 in Bonn durchgeführte Demonstration. An der Demonstration, die der Durchsetzung der Hungerstreikforderungen dienen sollte, beteiligten sich etwa 5.000 Personen, darunter Angehörige der Häftlinge, die den Demonstrationszug anführten, Personen des RAF-Umfeldes, des sonstigen terroristischen Umfeldes, des autonomen sowie des sonstigen linksextremen Spektrums.

Am 12. Mai 1989 brachen die Häftlinge ihre Hungerstreikaktion ab, nachdem sich herausgestellt hatte, daß eine einheitliche Haltung der zuständigen Behörden der betroffenen Länder in der Frage der Zusammenlegung von RAF-Häftlingen nicht zu erreichen war.

Erklärungen einzelner RAF-Häftlinge zum Abbruch des Hungerstreiks lassen erkennen, daß die Häftlinge an ihrer Forderung nach Zusammenlegung festhalten, daß sie unserem Staats- und Gesellschaftssystem unverändert feindlich gegenüberstehen und weiterhin nach einer "revolutionären Entwicklung" streben. Anhänger der RAF haben nach Beendigung des Hungerstreiks Aktionen zur Durchsetzung der Forderungen der Hungerstreikenden begonnen, mit denen sie versuchten, den - inzwischen geschrumpften -Mobilisierungseffekt aufrechtzuerhalten, den der Hungerstreik in der linksextremistischen Szene auslöste. Im Vordergrund standen hierbei die Forderung nach Freilassung angeblich haftunfähiger RAF-Mitglieder sowie nach freier politischer Information der Gefangenen und Kommunikation mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Aber auch die ursprüngliche Forderung nach Zusammenlegung der Häftlinge in großen Gruppen wird in die Agitation aufgenommen.

Aus einem Ende Oktober 1989 verfaßten Brief des RAF-Häftlings Helmut POHL, der in dem von "Angehörigen der politischen Gefangenen in der BRD" herausgegebenen "Angehörigen Info 27" vom 10. November 1989 veröffentlicht worden ist, geht hervor, daß er und andere RAF-Häftlinge, den bereits im Sommer 1987 beschlossenen, mehrfach verschobenen Hungerstreik nunmehr für endgültig gescheitert halten: "Wir sind mit unserem Projekt nicht weitergekommen, wir müssen uns auf eine neue Phase des Kampfes orientieren, aber mit den Erfahrungen aus diesem Streik". Im Rahmen dieser neuen Phase des Kampfes um die Zusammenlegung nennt er das Mittel eines neuen Hungerstreiks, wenn es nicht mehr anders gehe. Soweit sie - die RAF-Häftlinge - während des Hungerstreiks für "andere in dieser Zeit die Initiative an sich gezogen" hätten und diese "ihre eigene mitbestimmt" habe, "sei das alles wieder abgegeben". Diese Äußerung muß als eine kaum verhüllte Aufforderung an den "Kommandobereich" sowie die "Militanten" der RAF wirken, nunmehr unabhängig von den Inhaftierten terroristische Aktionen zu begehen. Der Brief endet mit der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staatswesens insgesamt gerichteten Kampfparole, "daß Veränderungen nur erzielt werden, wenn man den Mechanismus, nach dem das ganze System funktioniert, trifft. Die Kosten müssen höher getrieben werden, als der Profit, den sie sich versprechen."

Am 30. November 1989 wurde in Bad Homburg/Hessen auf das Fahrzeug des Vorstandssprechers der Deutschen Bank AG, Dr. Alfred HERRHAUSEN, ein Sprengstoffanschlag verübt, bei dem Dr. HERRHAUSEN getötet und sein Fahrer schwer verletzt wurden. Die Täter hatten den Sprengsatz auf einen am Straßenrand abgestellten Fahrrad angebracht und die Explosion durch elektrische Zündung mit Hilfe einer Lichtschranke ausgelöst. Sie flüchteten mit einem im Oktober 1989 gemieteten und später unterschlagenen Pkw, den sie mit einem Doublettenkennzeichen versehen hatten. Am Tatort wurde von den Tätern u. a. ein in einer Klarsichthülle eingeschweißtes DIN A-4-Blatt hinterlassen, das neben der Abbildung des " RAF-Symbols" die Aufschrift " Kommando Wolfgang BEER*" enthielt.

Am 5. Dezember 1989 gingen bei verschiedenen Nachrichtenagenturen in Bonn sowie am 6. Dezember 1989 bei einer Zeitung in Karlsruhe textidentische Taterklärungen der RAF vom 2. Dezember 1989 ein, in denen die RAF erklärte, sie habe mit dem "Kommando Wolfgang BEER" den "Chef der Deutschen Bank, Alfred HERRHAUSEN, hingerichtet". HERRHAUSEN sei der "mächtigste Wirtschaftsführer in Europa" gewesen. Unter seiner Regie habe sich die Deutsche Bank zur "europaweit größten Bank aufgeschwungen", die "ihr Netz über ganz Westeuropa geworfen" habe und "an der Spitze der faschistischen Kapitalstruktur" stehe, gegen die sich jeder Widerstand durchsetzen muß."

* Wolfgang BEER kam am 25. Juli 1980 bei einem Verkehrsunfall im Raum Bietigheim/Bissingen zusammen mit der damals ebenfalls mit Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen RAF-Terroristin Juliane PLAMBECK ums Leben.

Die Taterklärung, in der die Notwendigkeit des Kampfes um die Zusammenlegung der RAF-Hälftlinge sowie einer "Front gegen den Imperialismus hier in Westeuropa" betont wird, endet mit der bekannten RAF-Parole "Zusammen kämpfen".

Am 10. Dezember 1989 konnte ein Sprengstoffanschlag auf das Pflanzenschutzzentrum der Firma Bayer AG in Monheim verhindert werden. Der in einer auf dem Werksgelände abgestellten Tasche untergebrachte Sprengsatz wurde rechtzeitig entschärft. In der Taterklärung begründeten Militante der RAF, die sich als "Kämpfende Einheit sheban atlouf/conny wissmann" bezeichnen, die Auswahl des Angriffszieles mit der "Macht des Bayer-Konzerns", der "heute einer der größten Chemiemultis weltweit" sei. Außerdem polemisieren sie gegen den "ausschließlich durch die imperialistischen Staaten" kontrollierten Bereich der "Bio- und Gentechnologie", mit deren Hilfe sich diese "das Diktat über die Entwicklung der Länder der Dritten Welt und die Regulierung von Leben weltweit sichern". Die Erklärung endet mit der Forderung: "Zusammenlegung der kämpfenden Gefangenen! Den Angriff organisieren. Zusammen kämpfen."

Am 7. Dezember 1989 nahm die Polizei aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung im Bereich Südermarsch/Nordfriesland die mutmaßlichen terroristischen Gewalttäter Ute HLADKI und Holger DEILKE in einem "Doublettenfahrzeug" fest. In dem Fahrzeug wurde ein Revolver vorgefunden, der aus einem Raubüberfall am 19. März 1982 in Dortmund stammt. In der von beiden unter falschem Namen in Tönning/Schleswig-Holstein angemieteten Ferienwohnung fand die Polizei u. a. Funkgeräte, eine Auszieherkralle für Pkw-Schlösser, mehrere verschiedene Kfz-Schlüssel und zum Teil verschlüsselte hand- und maschinenschriftliche Aufzeichnungen.

Die zuletzt in Bielefeld amtlich gemeldeten Ute HLADKI und Holger DEILKE waren beim Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Verdachts der Werbung für eine terroristische Vereinigung (RAF) angeklagt und von mehreren Staatsanwaltschaften zur Festnahme bzw. Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Der Generalbundesanwalt hat inzwischen gegen beide Personen ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß §129 a StGB und anderer Straftaten eingeleitet.

Am 20. Januar 1989 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (Sprengstoffanschlag auf die Bundesgrenzschutzkaserne in Swisttal-Heimerzheim am 11. August 1986) in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (RAF) Norbert HOFMEIER zu 10 Jahren Freiheitsstrafe sowie Barbara PERAU und Thomas THOENE zu jeweils neun Jahren Freiheitsstrafe. Thomas RICHTER wurde ebenfalls wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (RAF) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Alle Angeklagten haben geben das Urteil Revision eingelegt**.

** Der Generalbundesanwalt hat am 11. Dezember 1989 das gegen Rolf Erwin HARTUNG (siehe Verfassungsschutzbericht 1988, Seiten 45/46) wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion geführte Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozeßordnung eingestellt. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied am 22. Januar 1990, daß er u. a. für die erlittene Untersuchungshaft aus der Staatskasse zu entschädigen sei.
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