Die Geschichte der RAFDruckversion aller 16 Kapitel zur Geschichte der RAF von www.rafinfo.de. Der 2.Juni 1967Der Tod des StudentenIn den 60er Jahren wuchs in der Bundesrepublik vor allem unter Schülern und Studenten die Unzufriedenheit über die herrschenden Gesellschaftszustände. So kam es, wie in vielen anderen westlichen Ländern wie beispielsweise in Frankreich oder den USA, zu verstärkten Protesten und Demonstrationen. Protestiert wurde gegen den Vietnamkrieg, veraltete Strukturen und Methoden in Schulen und Universitäten ("Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren") und gegen die "Ausbeutungsmaschinerie" des Kapitalismus im Allgemeinen. In Deutschland kam im Besonderen die nicht aufgearbeitete Vergangenheit der Elterngeneration in der Zeit des Nationalsozialismus hinzu. Statt den Dialog mit den Studenten zu suchen, ging der Staat - unterstützt von der konservativen Presse - häufig auf Konfrontationskurs. Als dann Reza Pahlevi, der Schah von Persien (heute Iran) offiziell von der Bundesrepublik eingeladen wurde, war dies für viele ein erneuter Beweis für die faschistische Kontinuität in der Politik des deutschen Staates. Pahlewi regierte den Iran seit 1953 - gestützt durch die USA - mittels einer Militärdiktatur. Dem Aufruf zu einer Protestdemonstration am Besuchstag des Schahs am 2. Juni 1967 in Berlin folgten dementsprechend viele junge Menschen. Die Regierung unternahm jedoch alles, dem hohen Gast den Aufenhalt möglichst angenehm zu gestalten. Im Vorfeld des Besuchs waren oppositionelle Perser ohne Rechtsgrundlage festgenommen worden und am Tag des Besuches ließ man extra die vom Schah benutzten Autobahnen sperren. Zudem erteilte man persischen Anhängern Pahlevis die Erlaubnis diesen am Flughafen mit Jubelgeschrei und Fahnen zu begrüßen. Diese sogenannten "Jubelperser" waren es dann auch, die gemeinsam mit der Polizei die Demonstranten vom Schah und seiner Frau abschirmten als dieser gegen 14.30 Uhr das Schöneberger Rathaus erreichte. Als aus den Reihen der Demonstranten "Mörder! Mörder!" Rufe zu hören waren und einige Farbeier, wenn auch zu kurz geworfen, in Richtung des Schahs flogen, begannen die "Jubelperser" - ausgerüstet mit Holzlatten - wahllos auf die Demonstranten einzuschlagen. Wie sich später herausstellte war ein Großteil der "Jubelperser" vom iranischen Geheimdienst gestellt worden - was auch die gute Zusammenarbeit mit der Berliner Polizei erkärt, die einige Minuten später auf der Seiten der "Jubelperser" in die Situation eingriff und die Demonstration auflöste. Am Abend sollte das Kaiserpaar die "Zauberflöte" in der Deutschen Oper hören, vor der sich erneut Demonstranten versammelt hatten, sowie die Polizei unterstützt durch Schahanhänger. Wieder wurden Sprechchöre laut und es flogen Tomaten und Farbeier. Nachdem der Schah die Oper unversehrt erreicht hatte, begannen die Demonstranten langsam abzurücken, um sich nach Beendigung der Vorstellung erneut zu versammeln. Anstatt die Studenten abziehen zu lassen, kam nun jedoch die "Leberwurst-Taktik" des Berliner Polizeipräsidenten Duensing zum Einsatz: "Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hinein stechen, damit sie an den Enden auseinanderplatzt." Ohne die gesetzlich vorgeschriebene Warnung, begannen die Polizisten mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten loszugehen. Blutüberströmt brachen viele von ihnen zusammen, während die anderen versuchten durch Nebenstraßen zu entkommen, verfolgt durch Polizei und "Jubelperser". Unter ihnen auch der 26-jährige Romanistikstudent Benno Ohnesorg, der an diesem Tag zum ersten Mal an einer Demonstration teilgenommen hatte. Gegen 20.30 Uhr geriet er und einige andere Demonstranten in der Nähe der Krumme Straße 66/77 in ein Handgemänge mit der Polizei, die in der Gruppe einen "Rädelsführer" ausgemacht zu haben meinte. Einer der Polizisten ist der 39-jährige Kriminalobermeister in zivil Karl-Heinz Kurras, aus dessen Pistole sich während des Gerangels ein Schuss löste und dem inzwischen halb bewusstlos geschlagenen Ohnesorg die Schädeldecke zertrümmerte. Ohnesorg stirbt noch vor Ort. Vor Gericht beteuert Kurras später, der Schuss sei ihm versehentlich losgegangen und wird freigesprochen. Der Tod Benno Ohnesorgs war ein Schock für viele und trug erheblich zur Radikalisierung von Teilen der Studentenbewegung bei. Das Gefühl von "Der Staat hat auf uns alle geschossen" ist vielen späteren Terroristen gemein.
KaufhausbrandstiftungEin erster AnschlagAls im Mai 1967 in Brüssel ein Kaufhaus abbrannte und dabei über 300 Menschen starben, tauchten in Berlin mehrere Flugblätter [3] der Kommune 1 auf, in denen die Ereignisse in Belgien mit den den Napalmbombardements der Amerikaner in Vietnam in Zusammenhang gebracht wurden: "Ein brennendes Kaufhaus mit brennenenden Menschen vermittelte zum erstenmal in einer europäischen Hauptstadt jenes knisterne Vetnamgefühl (dabeizusein und mitzubrennen), das wir in Berlin bisher noch missen müssen [...] Wann brennen die Berliner Kaufhäuser" Ungefähr zu dieser Zeit lernten sich auch Gudrun Ensslin und Andreas Baader in Berlin kennen. Im März 1968 beschlossen sie den Worten Taten folgen zu lassen und in westdeutschen Kaufhäusern Brandsätze zu legen. Gemeinsam mit Thorwald Proll fuhren sie nach München, wo sie sich mit Horst Söhnlein, einem Freund Baaders, trafen. Von dort ging es dann weiter nach Frankfurt wo sie am frühen Morgen des 2. April 1968 ankamen und den Tag mit dem Auskundschaften verschiedener Kaufhäuser verbrachten. Kurz vor Mitternacht ging bei der Deutschen Presseagentur ein Anruf ein: "Gleich brennt's bei Schneider und im Kaufhof. Es ist ein politischer Racheakt.". Ungefähr zur selben Zeit waren auch die Flammen in den besagten Kaufhäusern bemerkt worden - ausgelöst durch selbstgebastelte Zeitzünder. Der Schaden von 282.339 DM bei Schneider und 390.865 DM bei Kaufhof wurde später von der Versicherung übernommen - Menschen wurden nicht verletzt. Die vier Brandstifter quartierten sich noch in der selben Nacht bei einer Bekannten ein, deren Freund der Besuch jedoch nicht passte. Bereits am Morgen des 4. April 1968 wurden die vier auf Grund eines "konkreten" Hinweises verhaftet. Am 31. Oktober 1968 wurde das Urteil verkündet: drei Jahre Haft. Aber bereits 14 Monate später - am 13. Juni 1969 waren sie wieder auf freiem Fuß. Die Haftbefehle waren zunächst unter Auflagen aufgeschoben worden bis über die von den Anwälten eingelegte Revision entschieden worden sei. Als dieser im November 1969 nicht stattgegeben wird beschließen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Thorwald Proll gemeinsam mit seiner Schwester Astrid Proll unterzutauchen.
ZeitungsterrorSpringer und DutschkeIn Deutschland begann eine große Hetzkampagne der Presse gegen die APO und die deutsche Linke. Allem voran Axel Springer, dessen Verlag wochentags 30% und sonntags sogar 90% der Gesamtauflagen an Zeitungen stellte. In dieser Atmosphäre erscheint in dem rechtsradikalen Blatt "Deutsche Nationalzeitung" die Schlagzeile "Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg" Darunter sind fünf Fotos des Studentenführers zu sehen - wie Fahndungsfotos der Polizei. Am 11. April 1968 steht Rudi Dutschke mit seinem Fahrrad vor dem SDS-Zentrum am Kurfürstendamm in Berlin, als ein schmächtiger, junger Mann mit kurz geschnittenen Haaren auf ihn zukommt. Dieser Mann ist Josef Bachmann, Anstreicher aus München. Unter seiner hellbraunen Wildlederjacke hat er einen Ausschnitt aus der "Deutschen Nationalzeitung" und eine Pistole im Schulterhalfter. "Sind Sie Rudi Dutschke?" fragt er, worauf dieser mit "Ja" antwortet. Daraufhin zieht Bachmann seine Pistole und schießt dreimal auf Dutschke. Im SDS-Zentrum ist es totenstill. Betroffen, erschüttert und wütend macht man sich auf zum Audimax der Technischen Universität, wo eine geplante Veranstaltung jetzt zu einem Forum des Protests umgestaltet wird. Aus dem Krankenhaus kommt die Nachricht, dass Dutschke im Gegensatz zur SFB-Berichterstattung noch am Leben sei und seine Chancen 50 zu 50 stehen. Joseph Bachmann wird bereits wenige Minuten nach dem Attentat von der Polizei festgenommen. Für alle Teilnehmer ist klar, der eigentliche Täter ist der Springerverlag, und so beginnt man in der TU darüber zu beraten, wie man reagieren will. Unter den über 2000 Teilnehmern im Auditorium maximum befindet sich auch die Kolumnistin der linken Zeitschrift "konkret", Ulrike Meinhof. Von der Technischen Universität bewegte sich der Protestzug zum Axel-Springer-Gebäude in der Kochstraße, wo man unter der Parole "Heute darf keine Springer-Zeitung die Druckerei verlassen" begonnen hatte, die Ausfahrten mit Autos zuzuparken. Als der Hauptdemonstrationszug ankam, kam es zu einer größeren Straßenschlacht mit der Polizei, bei der der Verfassungsschutz V-Mann Peter Urbach Molotowcocktails an die Demonstranten verteilte und erheblicher Sachschaden entstand. Rudi Dutschke starb einige Jahre später an den Spätfolgen des Attentats.
GefangenenbefreiungGeburtsstunde der RAFDurch den Verrat von Peter Urbach, der für den Verfassungsschutz arbeitete, wurde der untergetauchte Andreas Baader festgenommen und zuerst in die Krankenhausabteilung des Gefängnisses Moabit gebracht, da er noch unter den Folgen einer Gelbsucht litt. Später wurde er nach Tegel verlegt. Dort erhielt er regelmäßig Besuch von seiner Mutter, aber auch von Ulrike Meinhof und Horst Mahler, der ihn als Anwalt vertrat. Sogar die ebenfalls untergetauchte Gudrun Ensslin besuchte ihn einige Male unter falschem Namen. Sie hatte inzwischen begonnen eine Gefangenenbefreiung zu organisieren. Die damals unter anderem durch ihre Arbeit bei der "konkret", aber auch durch Fernsehauftritte bekannte Ulrike Meinhof, gab bei der Gefängnisleitung an, dass sie mit Andreas Baader ein Buch über randständige Jugendliche schreiben wolle und bat um Ausführung des Gefangenen in ein wissenschaftliches Institut zur Literatursichtung. Nach der ersten Ablehnung dieses Gesuchs, setzte sich Horst Mahler noch einmal intensiv für Baader ein, woraufhin der Gefängnisleiter Glaubrecht einer Ausführung von 2 bis 3 Stunden zustimmte. Am 14. Mai 1970 wurde Andreas Baader unter der Begleitung von 2 Beamten in das Institut für soziale Fragen gebracht, wo ihn Ulrike Meinhof schon erwartete. Bei der folgenden Befreiungsaktion wurde der Institutsangestellte Georg Linke angeschossen und zwei Beamte in einem kurzen Handgemenge überwältigt. Die vier Befreier - Ingrid Schubert, Irene Goergens, Gudrun Ensslin und der Mann, der auf Linke geschossen hatte (seine Identität wurde nie geklärt) entkamen zusammen mit Baader und Meinhof durch ein Fenster und fuhren in zwei Wagen davon. Diese Befreiungsaktion wird als die Geburtsstunde der RAF angesehen. Die Befreier, der Befreite, sowie einige andere - unter ihnen Hans-Jürgen Bäcker und Horst Mahler - reisten jetzt mit Hilfe eines Verbindungsmannes der palästinensischen Befreiungsorganisation El Fatah namens Said Dudin nach Jordanien, wo sie eine militärische Ausbildung erhielten. Die RAF entstehtVon der Baader Meinhof Gruppe zur Roten Armee Fraktion1970 verübte die Baader Meinhof Gruppe verschiedene kleine Aktionen. So wurden am 29. September 1970 drei verschiedene Bankenauf einmal überfallen, mit einer Gesamtbeute von über 200.000DM. Durch einen Tip gelang es der Polizei, mehrere der Täter festzunehmen, unter ihnen Horst Mahler. Um den 22. November 1970 lief die "Aktion Passamt". Ulrike Meinhof und Komplize brachen ins Rathaus Langgöns bei Gießen ein, um an Blankopapiere und Dienstsiegel zu kommen. Inzwischen wuchs die Gruppe um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Für bevorstehende Aktionen wurden Vorbereitungen getroffen, wie die Beschaffung von Waffen, Autos, Wohnungen und Geld. Im Laufe dieser Organisationen fanden jedoch mehrere Verhaftungen statt, wodurch die Zahl der Gruppe wieder stark dezimiert wurde. Am 15. Januar 1971 wurden wieder zwei Banken überfallen: Gesamtbeute ca. 110.000DM. Doch auch auf Staatsseite begann man sich mit der wachsenen Bedrohung auseinander zu setzen. Am 1. Februar 1971 begann die Arbeit der neu gegründeten "Sonderkommission Terrorismus" unter der Leitung von Alfred Klaus und Verfassungsschützer Michael Grünhagen. Obwohl sich die Aktionen der Baader-Meinhof-Gruppe bisher fast ausschließlich auf Banküberfälle und Waffenbeschaffung beschränkt hatten entwickelte sich die Jagd auf die Gruppe langsam in der gesamten BRD zur Hysterie. Auch die Zeitungen putschten das Thema immer weiter hoch, bis die "Welt am Sonntag" es schließlich auf den Höhepunkt brachte: "Bonner Geheimpolizei jagt Staatsfeind Nr. 1: Die Baader-Bande." Anfang 1971 werden erstmals zwei theoretische Erklärungen zu den Zielen der Gruppe um Andreas Baader veröffentlicht. Zunächst unter dem Tarnnamen "Neue Straßenverkehrsordnung" veröffentlicht Horst Mahler – immer noch im Gefängnis sitzend – die Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa". Der Text war jedoch nicht mit den anderen Mitgliedern abgesprochen und wurde von diesen abgelehnt. Auf Grund theoretischer und praktischer Differenzen wird Mahler schließlich von den anderen ausgeschlossen. Ulrike Meinhof verfasst im April '71 das Manifest "Das Konzept Stadtguerilla" in dem zum ersten Mal der Name Rote Armee Fraktion und der Sternmit der Heckler & Koch MP 5 auftauchen.
Die ersten TotenUnter Leitung der neugegründeten Sonderkommission wurde am 15. Juli 1971 mit einer Großfahndung an der über 3000 Polizisten beteiligt waren in ganz Norddeutschland nach den Terroristen gesucht. Die zwei RAF-Mitglieder Werner Hoppe und Petra Schelm wurden an einer Straßensperre aufgehalten. Beim Versuch diese zu durchbrechen, wurde Petra Schelm erschossen - sie war damit eine der ersten Opfer in der Ausseinandersetzung zwischen Staat und RAF. Am 22. Oktober 1971 fielen den Polizisten Norbert Schmid und Heinz Lemke in Hamburg eine der gesuchten Terroristinnen auf. Als sie die Frau festnehmen wollten, tauchten jedoch zwei weitere RAF-Mitglieder (Gerhard Müller und Irmgard Möller) auf. Müller erschoss Schmid und verletzte Lemke am Bein. Am nächsten Morgen wurde Margrit Schiller verhaftet, die sich in der Nähe des Tatortes aufgehalten hatte. Im Dezember 1971 waren große Teile der RAF nach Berlin zurückgekehrt. Bei der Nachsendung von Munition und Waffen aus Hamburg wurde so sorglos vorgegangen, dass der Inhalt der Pakete auffiel. Am 3. Dezember 1971 begann eine Großfahndung mit über 3000 Polizisten in Berlin, bei der nicht nur nach RAF-Terroristen, sondern auch nach Mitgliedern der Bewegung 2. Juni gefahndet wurde. Als Bommi Baumann [8] und sein Freund Georg von Rauch [9] – beide aus dem Umfeld des 2. Juni – verhaftet werden sollten, zog letzterer seine Pistole und wurde erschossen, Baumann konnte entkommen. Auch die Kerntruppe der RAF konnte sich wieder nach Frankfurt/Main absetzen.
BombenanschlägeBlutiger Mai '72Als Reaktion auf den fortdauernden Krieg in Vietnam beschloss die RAF, Anschläge auf amerikanische Ziele in Deutschland zu verüben. Am 11. Mai 1972 gegen 19.00 Uhr zerstören drei Rohrbomben das Eingangsportal und das Offizierskasino des V. US-Korps im IG-Farben-Haus in Frankfurt/Main. Bei diesem Anschlag gibt es 13 Verletzte und Oberstleutnant Paul Blomquist stirbt an einem Splitter im Hals.
Aber auch nicht-amerikanische Einrichtungen wurden Ziele von Anschlägen. Am 12. Mai 1972 detonierten kurz nach 12.15 Uhr zwei Rohrbomben in der Polizeidirektion Augsburg. Fünf Polizisten wurden schwer verletzt. Nur zwei Stunden später explodierte auch auf dem Parkplatz des Landeskriminalamtes München ein mit Sprengstoff beladener Wagen. 60 Autos wurden beschädigt und in sechs Stockwerken zerbarsten die Scheiben. Auch hier gibt es Verletzte. Einige Tag später, am 15. Mai 1972 explodierte der Volkswagen des Bundesrichters Buddenberg. Am Steuer saß seine Frau, die jedoch überlebte. Am 19. Mai 1972 gingen im Hamburger Axel-Springer-Haus mehrere Bomben hoch. Obwohl es zuvor mehrere Warnanrufe gegeben hatte, war das Gebäude nicht geräumt worden. Bilanz: 17 Verletzte.
Den Abschluß dieser Anschlagsserie bildete der Angriff vom 24. Mai 1972 auf das Europa-Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg. Gegen 18.00 Uhr explodierten zwei Autobomben vor dem Kasernenblock 28 und dem Casino, wobei die drei amerikanischen Soldaten Clyde Bonner, Ronald Woodward und Charles Peck ums Leben kamen, sowie fünf weitere GIs verletzt wurden.
Das Ende der RAF?FestnahmenAuf die Bombenanschläge folgte die größte Fahndungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 31. Mai 1972 wurden alle Polizisten des Landes direkt dem BKA unterstellt und jeder Hubschrauber, der im Besitz der BRD war, befand sich an diesem Tag in der Luft. Überall wurden Straßensperren errichtet und Fahrzeuge kontrolliert. Trotz dieser Bemühungen blieb diese Aktion im Großen und Ganzen ohne Erfolg. Mehr Erfolg brachte die Observation einer Garage am Hofeckweg in Frankfurt: Hier lagerte die RAF ihren Sprengstoff und hier wurden am 1. Juni 1972, nach größerer Belagerung und massivem Tränengaseinsatz, auch Andreas Baader und Holger Meins verhaftet. Dabei wurde Baader durch einen Gewehrschuss eines Scharfschütze, der in einer gegenüberliegenden Wohnung Stellung bezogen hatte, am Oberschenkel getroffen. Kurz zuvor war auch Jan-Carl Raspe, verhaftet worden. In der Folge kam es zu einer Reihe weiterer Festnahmen. Am 7. Juni 1972 wurde Gudrun Ensslin in einer Hamburger Boutique verhaftet, wo einer Verkäuferin die Pistole in ihrer Jacke aufgefallen war. Am 15. Juni 1972 wurde auch Ulrike Meinhof verhaftet. Sie hatte sich bei einem Lehrer in Hannover-Langenhagen einquartiert, der sie, um Ärger aus dem Weg zu gehen, bei der Polizei verriet. Nach dem ein Tübinger Druckereiarbeiter, der für die RAF gearbeitet hatte, festgenommen wurde, erklärte sich dieser bereit, der Polizei zu helfen. Durch seine Hilfe wurde am 7. Juli 1972 auch Klaus Jünschke und Irmgard Möllerfestgenommen. Damit war der größte Teil der RAF verhaftet. Die HaftZunächst wurden die Gefangenen in Gefängnissen der Städte untergebracht, in denen sie auch verhaftet worden waren. Später verlegte man sie in einen Trakt des gerade fertig gestellten Hochsicherheitsgefängnis in Stuttgart Stammheim. Grundsätzlich kamen alle Gefangenen der RAF zunächst in Einzelhaft und durften weder untereinander noch zu anderen Gefangenen Kontakt haben. Besuche durften sie nur von ihren Verwandten empfangen und das auch nur alle 14 Tage eine halbe Stunde unter Aufsicht. In Ulrike Meinhofs Zelle in Köln Ossendorf wurde auch in der Nacht das Licht nicht gelöscht. In der Folge traten die RAF-Mitglieder immer wieder in den Hungerstreik, um auf ihre Haftbedingungen aufmerksam zu machen und Verbesserungen dieser einzufordern. Die Haftbedingungen für die RAF sind auch heute noch immmer wieder Kern heißer Diskussionen. Während die einen von systematischer Folter durch Isolation sprechen, tun andere dies als reine Propaganda ab und sehen die RAF Gefangenen gar als Priviligierte mit Sonderrechten. Fest steht, dass Gefangene isoliert wurden und auch unabhängige Organisationen wie Amnesty International die Haftbedingungen anmahnten. Fest steht aber auch, dass sich in den folgenden Jahren neue Mitglieder vor allen über ihr Engagement in "Antifolter"-Komitees zur RAF kamen.
Das Info-SystemUm auch im Gefängnis den Kontakt untereinander und mit der Außenwelt nicht zu verlieren, entwickelte Gudrun Ensslin ein "Info-System", das die damals noch nicht kontrollierte "Verteidigerpost" zum Nachrichtenaustausch nutzte. Über diesen Weg wurden beispielsweise Hungerstreiks organisiert oder gemeinsame Erklärungen vorbereitet, die dann über das selbe System das Gefängnis verließen. Um die Identität der Verfasser zu verschleiern erhielten alle neue Decknamen, entlehnt aus dem Buch »Moby Dick«. So stand "Ahab" beispielsweise für Andreas Baader, Holger Meins hieß "Starbuck" und "Smutje" war Ensslins eigener Deckname. Auch was die Literatur anbelangte, die sich die Gefangenen schicken ließen, arbeite die Gefängniszensur anfangs nicht einwandfrei. So konnten sich die RAF-Mitglieder eine umfangreiche Bibliothek zusammenstellen, die sie in ihrer Ausbildung als Stadtguerilla weiterbringen sollte. Darunter waren Titel die über Sprengstoffe, Waffen oder Dokumentenfälschung berichteten. Über das Infosystem wurde auch der 2. Hungerstreik organisiert, der vom 8. Mai bis zum 29. Juni 1973 lief. Hier kam zum ersten Mal das Mittel der Zwangsernährung zum Einsatz. Dennoch brachte dieser Hungerstreik leichte Haftverbesserungen. Der Tod Holger MeinsAm 27. August 1974 begannen die Gefangenen ihren dritten Hungerstreik. Inzwischen hatten die ersten Prozesse gegen die Terroristen begonnen und Ulrike Meinhof verkündete in Moabit ihre Forderungen: Renten- und Sozialversicherung für alle Gefangenen, freie Arztwahl, Streikrecht, sexuelle Kontakte ohne Überwachung, Besuche ohne Kontrollen, Aufhebung der Briefzensur, Abschaffung der Jugendstrafanstalten, Einrichtung gemischter Vollzugsanstalten. Horst Mahler hungerte nicht mit. Er war zuvor von der RAF ausgeschlossen worden, da er nicht mehr in allen Punkten mit der Meinung der Gruppe übereinstimmte. Diesmal gab es zunächst kein Einlenken seitens der zuständigen Behörten: Ende Oktober wurden alle Gefangenen zwangsernährt. Obwohl die Anwälte auf einer Pressekonferenz öffentlich gegen diese "bewusste Quälerei und sadistische Folter" protestierten, wurde die Zwangsernährung beibehalten.
Nach fast zwei Monaten Hungerstreik, am 9. November 1974 stirbt Holger Meins in der JVA Wittlich an Unterernährung. Trotz seines katastrophalen Zustandes und einem Gewicht von nur noch 39kg war er nicht auf die Intensivstation eines Krankenhauses verlegt worden. Noch am selben Tag kommt es in der gesamten Bundesrepublik zu Protestdemonstrationen. Der Hungerstreik wirde noch bis zum 2. Februar 1975 fortgesetzt. In der Folge kam es zu erheblichen Verbesserungen für die Gefangenen. So gut wie alle RAF-Mitglieder wurden nach Stammheim verlegt, wo sich die Männer und Frauen - jeweils unter sich - für mehrere Stunden am Tag treffen konnten. Auch die totale Isolation wurde aufgehoben. So bekamen die Gefangenen jetzt fast täglich Besuch von ihren Anwälten und auch Privatbesuche waren jetzt häufiger. SympathisantenDer Tod des RichtersDer Tod Tod Holger Meins' [16] war für viele ein großer Schock. Für die Sympathisanten der RAF war klar, dass Holger Meins ermordet worden war. Die Befreiung der Gefangenen rückte spätestens jetzt in den Mittelpunkt der Bemühungen der nächsten "Generationen" der RAF. Am 10. November 1974 versucht eine Gruppe junger Leute den obersten Richter Berlins, Günter von Drenkmann zu entführen. Als es dabei zu einem Handgemenge kommt, fallen drei Schüsse und Drenkmann sinkt getroffen zu Boden.
Die Lorenz EntführungAm 27. Februar 1975 entführt die Bewegung 2. Juni den Berliner Bürgermeisterkandidaten der CDU Peter Lorenz. Am nächsten Tag werden ihre Forderungen zusammen mit einem Polaroidfoto des Entführten veröffentlicht. Sie fordern die Freilassung der Gefangenen Horst Mahler, Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heissler und Rolf Pohle - außer Horst Mahler gehörten alle Gefangenen mehr oder weniger zum Umfeld der "Bewegung 2. Juni". An die RAF-Gefangenen wurde nur der Satz gerichtet: "An die Genossen im Knast: Wir würden gern mehr von Euch herausholen, sind aber dazu bei unserer jetzigen Stärke nicht in der Lage."
Da niemand der Erwähnten wegen Mordes angeklagt oder verurteilt war, geht der Staat auf den Handel ein und lässt die Gefangenen außer Mahler, der auf die Freilassung verzichtete, frei. Am 4. März 1975 wird auch Peter Lorenz wieder frei gelassen. Die Lorenz-Entführung sehen viele als Vorbild für die spätere Schleyer-Entführung [17]. Ein Nachgeben seitens des Staates gegenüber ähnlicher Forderungen von Entführern hat es jedoch seither nicht mehr gegeben.
BotschaftsbesetzungAuch die nächste Aktion der RAF hatte die Befreiung von Gefangenen zum Ziel: Am 25. April 1975 stürmen sechs, mit Pistolen und Sprengstoff bewaffnete Personen die deutsche Botschaft in Stockholm: Siegfried Hausner, Hanna-Elise Krabbe, Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer, Bernhard-Maria Rössner und Ullrich Wessel. Mit zwölf Geiseln besetzen sie das obere Stockwerk der Botschaft und verkünden ihre Forderungen: Freigelassen werden sollen 26 Gefangene, unter ihnen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Als die schwedische Polizei daraufhin das untere Stockwerk besetzt, drohen die Geiselnehmer mit der Erschießung des deutschen Militärattaché Andreas Baron von Mirbach. Nachdem die Polizei auch nach zweiter Warnung nicht abzieht, wird von Mirbach auf den Flur geschickt und erschossen. Die Sicherheitskräfte ziehen sich daraufhin in ein Nebengebäude zurück. Um 20.00 Uhr wirde den Geiselnehmern mitgeteilt, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt auf die Forderungen nicht eingehen wolle. So wird schließlich um 22.20 Uhr die nächste Geisel erschossen: der Wirtschaftsattaché Dr. Hillegart. 13 Minuten vor Mitternacht, kurz bevor die schwedische Polizei die Botschaft unter Einsatz von Betäubungsgas stürmen will, explodiert der von den Terroristen installierte Sprengstoff. Später stellte sich heraus, daß sie ihn wohl aus Versehen zur Explosion gebracht hatten. Bei der Explosion kommt RAF-Mitglied Ulrich Wessel ums Leben, alle anderen Personen erleiden schwere Verbrennungen. Der schwer verletzt festgenommene Siegfried Hausner stirbt drei Wochen später in Stammheim an einem Lungenödem.
Der ProzeßTag 1 (21. Mai 1975)In der extra für den Prozess neu errichteten Mehrzweckhalle in Stammheim begann der Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe. Der Vorsitzende Richter war Dr. Prinzing. Bereits beim aufrufen der Verteidiger begannen die Angeklagten zu stören. Denn das Gericht hatte neben den Vertrauensanwälten der Häftlinge auch Pflichtverteidiger bestimmt die von den RAF-Mitgliedern nur "Zwangsverteidiger" genannt wurden. Die Angeklagten verweigerten diesen jedes Recht sich zur Sache auch nur zu äußern. Außerdem kam hinzu, dass der Bundestag vor diesem Prozess die Strafprozessordnung geändert hatte und dadurch mehrere Anwälte der RAF-Gefangenen ausschloss. So stand Baader zu Prozessbeginn ohne Vertrauensanwalt da. Tag 3 (10. Juni 1975)Baader hat immer noch keinen Verteidiger seines Vertrauens. Der Antrag, die "Zwangsverteidiger" zu entpflichten wird abgelehnt. Nach Beschimpfungen der Pflichtverteidiger, sowie des Obersten Richters Prinzing werden die Angeklagten abgeführt. Tag 4 (11. Juni 1975)Der Rechtsanwalt Dr. Hans Heinz Heldmann wird Vertrauensanwalt Baaders. Sein Antrag, die Verhandlung 10 Tage zu unterbrechen, um sich in die Materie einzuarbeiten, wird abgelehnt. Weder die Prozessakten noch die Anklageschrift werden ihm ausgehändigt. Begründung: Die Akten sind alle. Tag 5 (15. Juni 1975)Die Anwälte erklären, ihre Mandanten seien in Folge des Hungerstreiks nicht verhandlungsfähig. Der Gefängnisarzt widerspricht dem ohne eingehende Untersuchung. Tag 21 (30. Juli 1975)Ulrike Meinhof erklärt, es handle sich um einen politischen Prozess. Tag 26 (19. August 1975)Die Gefangenen verlangen den Ausschluss aus dem Verfahren bis sie von Ärzten ihres Vertrauens untersucht worden wären. Als dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, nennt Andreas Baader den Vorsitzenden Prinzing ein "faschistisches Arschloch" und wird ausgeschlossen. Die übrigen Angeklagten schließen sich ihm an und werden ebenfalls abgeführt. Tag 39 (23. September 1975)Gutachten von unabhängigen Medizinern ergeben, dass die Angeklagten infolge der Haftbedingungen verhandlungsunfähig seien und höchstens 3 Stunden täglich am Prozess teilnehmen dürften. Tag 40 (30. September 1975)Prinzing erklärt, dass die Hauptverhandlung ab sofort auch ohne die Angeklagten fortgeführt würde. Es entsteht ein Tumult, der sich auch nach 10 Minuten Pause nicht legt, worauf Prinzing die Angeklagten aus dem Saal entfernen lässt. Tag 106 (4. Mai 1976)Die Verteidiger beantragten Richard M. Nixon, Melvin Laird, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Ludwig Erhard, Georg Kiesinger, Walter Scheel und andere als Zeugen vorzuladen. Sie sollten bestätigen, dass die Regierung der USA in Vietnam Völkerrechtsverbrechen begangen hätte und dass diese auch vom Territorium der BRD koordiniert worden waren und damit der Anschlag auf die Heidelberger Kaserne und das IG-Farben-Haus gerechtfertigt waren. Selbstmord?Als die Justizbeamten am Sonntagmorgen dem 9. Mai 1976 die Tür zu Zelle 719 öffneten fanden sie Ulrike Meinhof tot vor. Sie hing an einem aus Anstaltshandtüchern zusammengeknoteten Seil, welches am Fenstergitter ihrer Zelle befestigt war.
Tag 121 (28. Juni 1976)Die Verteidigung hatte fünf Zeugen mitgebracht, die beweisen sollten, dass Kriegsverbrechen in Vietnam vom Teritorium der BRD ausgingen und damit die Anschläge der RAF im Bereich des Notwehr- und Nothilferechts lagen. Das Gericht lehnte die Zeugen ab. Tag 124 (8. Juli 1976)Der Ex-RAF-Terrorist Gerhard Müller sagte über die Logistik der RAF aus. Man hatte ihm vorher Haftverkürzung, Geld und andere Vergünstigungen für seine Aussage angeboten, sowie ihn durch Isolationshaft mürbe gemacht. Tag 131 (28. Juli 1976)Klaus Jünschke war als Zeuge geladen worden. Nachdem der Vorsitzende Prinzing ihn unterbrach, sprang er über den Richtertisch, warf den Richter zu Boden und schrie "Für Ulrike, du Schwein!" Tag 171 (10. Januar 1977)Der Verteidiger Otto Schily hatte Informationen bekommen, wonach Prinzing Ablichtungen der Prozessakten an den Bundesrichter Albrecht Meyer weitergeleitet hatte, welcher über eine mögliche Revision im Verfahren zu entscheiden gehabt hätte. Nicht nur das - Meyer hatte sogar Teile der Akten an die Presse weitergeleitet. Dem Befangenheitsantrag des "Zwangsverteidigers" Künzel wurde stattgegeben und Prinzing wurde durch den Beisitzenden Dr. Foth ersetzt. WanzenInzwischen wurden die Vermutungen immer lauter, dass vertrauliche Gespräche zwischen den Anwälten und ihren Mandanten mit Wanzen abgehört worden waren. Tag 171 (10. Januar 1977)An diesem Tag betraten die Angeklagten zum letzten Mal den Gerichtssaal. Jeder gab eine Erklärung zum Prozess ab und Gudrun Ensslin gab einen erneuten Hungerstreik bekannt. Die Ermordung BubacksAm 7. April 1977 wurde der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein Chauffeur sowie der Chef der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft erschossen. Als der Dienstmercedes an einer roten Ampel hielt, feuerten zwei Terroristen der RAF mit Automatikwaffen von einem Motorrad auf den Wagen. Wenige Tage später erreichte ein Bekennerschreiben die DPA mit der Unterschrift "Kommando Ulrike Meinhof". Tag 192 (28. April 1977)Der Richter befindet die Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe für schuldig in folgenden Vergehen: a) drei tateinheitliche Morde in Tateinheit mit 6 versuchten Morden, b) einen weiteren Mord in Tateinheit mit einem versuchten Mord und zusätzlich in 27 weiteren Mordversuchen in Tateinheit mit Sprengstoff-Anschlägen sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Alle Angeklagten wurden zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Eine missglückte EntführungAm 30. Juli 1977 betraten Susanne Albrecht, Brigitte Mohnhaupt und eine unbekannte dritte Person die Villa des Bankiers Jürgen Ponto. Ponto und seine Frau schöpften keinen Verdacht, denn Susanne war mit den Pontos bekannt. Als der Begleiter der 2 Frauen eine Pistole auf den Bankier richtete, versuchte dieser dem Angreifer die Waffe zu entwenden wobei sich ein Schuss löste. Daraufhin zog Brigitte Mohnhaupt ebenfalls ihre Pistole und erschoss Ponto.
Angriff auf die BundesanwaltschaftNachdem die Ponto-Entführung missglückt war, beschloss die Nachfolgegruppe der Stammheiminhaftierten die Bundesanwaltschaft selbst anzugreifen. Dafür baute Peter-Jürgen Boock in einer konspirativen Wohnung einen Raketenwerfer. Der Deutsche HerbstDie Schleyer-EntführungAm 5. September 1977 fuhr der Dienstmercedes des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer durch die Friedrich-Schmidt-Straße in Köln. Als plötzlich auf der Straße ein blauer Kinderwagen auftaucht, muss der Chauffeur Schleyers hart bremsen und der zum Schutz Schleyers beorderte zivile Polizeiwagen fährt von hinten auf den Dienstmercedes auf. Im selben Moment rennen 5 maskierte Gestalten von links auf die Fahrzeuge zu und erschießen gezielt die 3 Polizisten Brändle, Pieler und Ulmer im hinteren Wagen, sowie Schleyers Chauffeur Heinz Marcicz.
Die Terroristen, bei denen es sich vermutlich um Peter-Jürgen Boock, Brigitte Mohnhaupt, Adelheit Schulz, Christian Klar und Stefan Wisniewski handelte, schleppten Schleyer in einen bereitstehenden weißen Volkswagen. In einem Brief an die Bundesregierung forderten die Entführer die Freilassung der RAF-Gefangenen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rösner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller und Günter Sonnebergs. Außerdem sollte jedem der Gefangenen 100.000 DM mitgegeben werden. Dem mit "Kommando Siegfried Hausner" unterschriebenen Brief waren ein Polaroidfoto Schleyers, sowie ein Privatfoto das er bei sich trug, beigelegt. KontaktsperreAls Reaktion auf die Entführung wurde in Stammheim eine totale Kontaktsperre verhängt. Die Gefangenen durften nicht mehr miteinander reden. Es wurden Platten mit Schaumgummibezug vor die Zellentüren gestellt und die Anwälte wurden nicht mehr zu ihren Mandanten gelassen. Dafür gab es ursprünglich keine Rechtsgrundlage. Die Regierung rechtfertigte die Maßnahme zunächst mit einer "gegenwärtigen Lebensgefahr" zu deren Abwehr die Kontaktsperre nach dem "Rechtsgedanken des rechtfertigenden Notstandes erlaubt" sei. VerzögerungstaktikDie Bundesregierung rief inzwischen einen Krisenstab ein auf dem man beschloss, nicht auf die Forderungen einzugehen sondern auf eine Verzögerungstaktik zu setzen bis man den Ort kannte an dem Schleyer gefangen gehalten wurde. So forderte man immer wieder Lebenszeichen Schleyers, hielt Erklärungen der Terroristen vor der Presse zurück oder gab vor diese erst verspätet erhalten zu haben. Die RAF-Gefangenen wurden inzwischen befragt in welches Land sie ausreisen wollten wenn die Regierung auf die Forderungen der Entführer eingehen würden. Die anschließenden Anfragen in den einzelnen Ländern, ob sie die Terroristen aufnehmen würden waren meist verbunden durch einen Besuch eines Regierungsvertreters, was die Sache immer weiter heraus zögerte. Angeblich wollte kein Land die Terroristen aufnehmen, was aber wohl nicht stimmte. Während dessen wurde weiter nach dem "Kommando Siegfried Hausner" gefahndet. Kommunikation und Selbstmord?Währenddessen ging es den Gefangenen durch die anhaltende Kontaktsperre immer schlechter. Gegenüber Besuchen durch den Gefängnisgeistlichen sowie den Regierungsleuten die sie zur Auslieferung befragten, äußerten sie auch immer wieder Selbstmordabsichten, die sie auch als Druckmittel einsetzten. Denn ein weiterer Toter in einer Stammheimer Zelle würde dem Ansehen des Staates mehr schaden als ein paar Terroristen außerhalb des Landes. Allerdings war es den Gefangenen trotz Kontaktsperre weiterhin möglich miteinander zu sprechen und so ihre Aktionen, wie eventuelle Hungerstreiks oder gar Selbstmord miteinander abzustimmen. Aus Radios und Plattenspielern hatte man sich eine Kommunikationsanlage gebastelt, die an das Haftanstaltsinterne Radionetz angeschlossen wurde und so die Zellen miteinander verband. Durch die schalldichten Platten vor den Türen konnten die Häftlinge nun des Nachts ungestört miteinander reden. Unterstützung aus dem Ausland
Am 13. Oktober 1977 wurde die Stewardess Hannelore Piegler auf dem Flug LH 181 Palma de Mallorca/Frankfurt(M) auf lautes Stimmengewirr in der Hauptkabine aufmerksam. Als nachsehen wollte was los sei, wurde sie durch einen Faustschlag zur Seite geschleudert und 2 Männer rannten an ihr vorbei zum Cockpit der Maschine mit dem Namen "Landshut", und zogen den Copiloten aus dem Cockpit in den Gang wo bereits 2 Frauen ("Soraya Ansari"* geboren in Israel nach Kuwait emigriert, "Shanaz Holun"* aus dem Libanon) mit Handgranaten in den Händen warteten. Sämtliche Passagiere, der Copilot sowie die Stewardessen wurden ins Heck der Maschine getrieben wo sich die jungen Männer einzeln auf die Fensterplätze verteilen mußten. Einer der 2 mänlichen Entführer (Zohair Youssif Akache) stellte sich den Leuten als "Captain Martyr Mahmud" vor der jetzt das Kommando der Maschine übernommen hätte. Der 4. Entführer war "Riza Abbasi"* aus dem Libanon. * so der Name in ihren gefälschten Pässen Als die Maschine auf dem römischen Flughafen Fiumicino zum auftanken aufsetzte, verkündete Matyr Mahmud die Forderungen seines Kommandos "Kofre Kaddum" die mit den Forderungen der Schleyer-Entführer übereinstimmten und zusätzlich die Freilassung zweier in der Türkei festgehaltenen Palästinenser sowie 15 Millionen Dollar forderten. Während daraufhin in Bonn ein Krisenstab tagte, auf dem auch in diesem Fall ein Nachgeben des Staates abgelehnt wurde, befand sich die Maschine bereits auf dem Weiterflug nach Larnaka von wo sie nach kurzem Tankstop weiter in Richtung Persischen Golf flog. Ihr folgte inzwischen eine Maschine mit einer Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes, den Terroristenjägern der GSG9. Nach einem weiteren Tankstop in Bahrein landete die Landshut in Dubai, wo erneut aufgetankt wurde und Medikamente, frische Getränke und Eis an Bord gebracht wurden. Als Matyr Mahmud hörte, dass eine der Stewardessen Geburtstag hatte, bestellte er beim Flughafen-Catering eine Geburtstagstorte für sie. Als dann noch erklärte man werden den inzwischen angebrachten Plastiksprengstoff wieder entfernen, spendeten die Geiseln sogar Applaus. Nachdem er diesen mit großzügiger Geste entgegengenommen hatte erklärte er weiter "...für 5 Minuten! Dann wird er wieder anmontiert". Die Heiterkeit legte sich schlagartig wieder. GeldübergabeDie 15 Millionen Dollar sollten am 15. Oktober 1977 im Frankfurter Intercontinental-Hotel durch Hanns-Martin Schleyers Sohn Eberhard mitgebracht werden und dort sollte er auf weitere Anweisungen warten. Um zu verhindern, dass diese Geldübergabe stattfand lieferte das BKA selbst Ort und Zeitpunkt der Übergabe an die Presse wodurch der Übergabeort von Presseleuten nur so wimmelte. Die Schleyerentführer riefen daraufhin mehrmals im Interconti an bis sie mit Eberhard Schleyer sprechen konnten und ihn aufforderten mit dem Geld nach Paris zu fliegen. Schleyer antwortete daraufhin, dass die Bundesregierung ihn nicht fliegen lassen wollte, um nicht auch noch seine Person zu gefährden. Nach meheren Telefongesprächen zwischen dem "Kommando Siegfried Hausner" und dem Sohn des Arbeitgeberpräsidenten einigte man sich darauf, dass das Geld den Gefangenen bei der Freilassung mitgegeben werden sollte. Der Tod des PilotenAm Morgen des 16. Oktober 1977 rief Matyr Mahmud den Piloten Jürgen Schumann auf den Gang, setzte ihm die Pistole an den Kopf und schrie ihn an. Am Morgen hatte der Verteidigungsminister Dubais ein Rundfunkinterview gegeben, in dem er erwähnte, dass der Pilot wichtige Hinweise auf die Zahl der Entführer gegeben hatte. Schumann hatte in den Funkverkehr immer wieder deutsche Zahlen eingestreut, sowie vier nicht gerauchte Zigaretten in den Müllcontainer geworfen der vom Bodenpersonal geleert worden war. Mahmud drohte damit den Kapitän sofort zu erschießen sollte etwas derartiges noch einmal vorkommen. Er ließ die Maschine sofort auftanken und veranlasste den Weiterflug nach Aden im Süd-Jemen. Dort wollte man das Flugzeug nicht landen lassen und hatte sämtliche Rollbahnen mit Panzerfahrzeugen blockiert. Da aber der Sprit zur Neige ging musste die Maschine auf einer Sandpiste neben der Rollbahn landen. Da sich die hiesigen Behörden nicht von einer Aufnahme der Terroristen überzeugen ließen sollte die Reise weitergehen. Schumann sollte rausgehen und das Fahrwerk kontrollieren. Als Schumann eine ganze Weile nicht wiederkam, drehte sich Mahmud zu den Geiseln um und sagte "Wenn der Pilot nicht wiederkommt, jage ich das Flugzeug in die Luft. Wenn er wiederkommt, werde ich ihn exekutieren." Als der Flugkapitän kurze Zeit darauf wieder auftauchte erschoss der Terrorist ihn. Die Erstürmung der LandshutAm Morgen des 17. Oktober 1977 startete die Landshut geflogen durch den Copiloten wieder und kam gegen 4.30 Uhr deutscher Zeit in Mogadischu an wo man die Leiche des toten Piloten aus dem Flugzeug warf. Man verlängerte das Ultimatum zur Auslieferung der RAF-Gefangenen auf 15 Uhr MEZ. 10 Minuten vor Ablauf dieses Ultimatums meldete sich der Tower mit der Nachricht, dass man zur Zeit versuche den Bundeskanzler zu erreichen und bat um eine halbe Stunde Verlängerung des Ultimatums, die auch gewährt wurde. Dann kam die Nachricht das die deutsche Regierung bereit sei, die Geiseln nach Mogadischu zu fliegen man dafür aber 7 Stunden Flugzeit benötige. Dafür wurde das Ultimatum abermals verlängert auf 1.30 MEZ. Inzwischen war auch die GSG9-Maschine gelandet und man bereitete sich auf die Stürmung der Landshut vor. Um 0.05 Uhr MEZ des 18. Oktober 1977stürmte das GSG9-Kommando die Landshut während Mahmud noch mit dem Tower sprach. Bei dem Einsatz wurden drei Terroristen sofort erschossen und eine Terroristin schwer verletzt. Bereits um 0.12 Uhr MEZ war die "Arbeit erledigt". Das Ende der StammheimerAls um 0.38 Uhr der Deutschlandfunk die Aktion auf dem Flughafen in Mogadischu bekannt gab, hörte auch der Gefangene Jan-Carl Raspe Radio in seiner Zelle. Gegen 7.45 Uhr des 18. Oktober 1977 schloss der Anstaltsbeamte Misterfeld die Tür zu Jan-Carl Raspes Zelle auf, der ihm nicht wie gewöhnlich entgegenkam, sondern auf seinem Bett saß. Misterfeld und sein Kollege bemerkten jetzt das Blut das von seiner linken Schädelseite lief, Jan atmete noch leise. Jan-Carl Raspe starb gegen 9.40 im Operationssaal. Aus offiziellen Stellen hieß es, dass es sich um kollektiven Selbstmord gehandelt habe. Doch immer blieben Zweifel an dieser Version. So sagte Irmgard Möller aus, sie wäre im Schlaf überrascht worden und wäre erst am nächsten Morgen auf der Bahre wieder aufgewacht. Auch die Pulverspuren am Kopf Baaders gaben Rätsel auf denen niemand nachging. So hatte man Abdruckspuren eines Laufes auf der Haut gefunden, was dafür spräche es handelte sich um einen aufgesetzten Schuss. Dafür waren aber zu wenig Pulverspuren auf der Haut. Mögliche Erklärung: Ein Schalldämpfer. Der wurde aber in Baaders Zelle nicht gefunden. Ein Schalldämpfer würde auch erklären warum niemand in der Nacht die Schüsse hörte. Das Ende der Schleyer-EntführungAm Nachmittag des 19. Oktober 1977 gab das "Kommando Siegfried Hausner" bekannt, dass man Hanns-Martin Schleyer erschossen habe. Die Identität der Mörder Schleyers blieb 30 Jahre ungeklärt. 2007 erklärte das ehemalige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock, Schleyer sei von Rolf Heißler und Stefan Wisniewski erschossen worden.
Die dritte Generation?Gab es die dritte Generation der RAF?Diese Frage würde wohl jeder als erstes mit ja beantworten, schließlich gibt es ja genügend Beweise, da sind Tote wie Herrhausen und Rohwedder, ein gesprengtes Gefängnis und natürlich immer wieder Bekennerschreiben. NachvollziehbarkeitFolgende Richtlinien gelten bei der Bestimmung der Echtheit von Bekennerschreiben. 1. Die Nachvollziehbarkeit der Gruppe und ihrer Ziele 2. Die Nachvollziehbarkeit des Anschlagsziels 3. Die Nachvollziehbarkeit der Täterschaft FazitDiese 3 Punkte sind bei der so genannten dritten Generation der RAF nicht gegeben. Mal finden sich Bekennerbriefe mit, mal ohne Stern. Immer wieder sehen die Sterne anders aus. Fingerabdrücke wurden so gut wie nie gefunden und auch Täter oder wenigstens die Identität der Täter konnte das BKA nie aufweisen. Aus diesen Punkten ergab sich die Vermutung, dass die Anschläge, die in ihren Auswirkungen des Öfteren sogar dem angegebenen Ziel entgegenwirkten, nicht von der RAF, sondern von verschiedenen Geheimdiensten begangen wurden und einer fiktiven RAF in die "Schuhe geschoben" wurden. Diese Verschwörungstheorie ist allerdings umstritten. Ich habe mich entschieden, auch die Attentate der 3. Generation hier aufzuführen, aber immer unter dem Vorbehalt, dass die wirkliche Täterschaft nicht schlüssig ist.
Neuer TerrorEin neues KonzeptNach dem auch die zweite Generation der RAF größtenteils verhaftet war, bildete sich eine neue Generation deren Hauptziel nun nicht mehr die Befreiung der inhaftierten Genossen war, sondern ein gemeinsamer Kampf gegen den Imperialismus in Europa - die Bildung einer "antiimperialistischen Front", wie in dem 1982 veröffentlichten "Maipapier" gefordert wurde. Ziele dieses Papiers war die Organisation eines gemeinsamen Kampfes bestehend aus:
Dies sollte grenzüberschreitend in ganz Europa geschehen. Die RAF verstand sich also nicht mehr als verlängerter Arm der unterdrückten dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im Herzen des europäischen Imperialismus. Ein Missglückter AnschlagAm 18. Dezember 1984 gegen 7.45 Uhr fährt ein Mann in US-Marineuniform auf das Gelände der NATO-Schule in Oberammergau. Nach der Vorlage eines US-Truppenausweises lässt der Wachposten am Tor ihn passieren. Der Mann parkt den Audi 80 direkt vor dem Lehrgebäude und verlässt das Militärgelände zügigen Schrittes. Dieses Verhalten und die schlecht sitzende Uniform fallen dem stellvertretenden Leiter der Schule auf und er erkundigt sich nach dem Kennzeichen des Wagens. Gegen 10.20 Uhr erfährt er, dass die Kennzeichen gestohlen sind. Sofort lässt er das Gebäude evakuieren. Als am Nachmittag der Wagen untersucht wird entdeckt man 25kg Sprengstoff und einen Zeitzünder - eingestellt auf 9.30 Uhr. Ein Fehler in der Schaltung hatte den 43 Menschen im Gebäude das Leben gerettet.
Der Tod des MTU-ChefsAm 1. Februar 1985 klingelte gegen 7.15 Uhr eine Briefbotin am Gartentor des Grundstücks von Ernst Zimmermann in Gauting in der Nähe des Sternberger Sees. Die Briefbotin erklärt Frau Zimmermann, dass ihr Mann den Erhalt des Briefes mit seiner Unterschrift bestätigen müsse. Ingrid Zimmermann bittet die junge Frau herein. Als sie das Haus betreten steht ihr bereits ein junger Mann mit Maschinenpistole im Anschlag gegenüber. Das Pärchen fesselt die Zimmermanns und führt Ernst Zimmermann ins Schlafzimmer. Dort richten sie ihn mit einem aufgesetzten Schuss in den Hinterkopf hin. Die Täter hinlassen - typisch für die dritte Generation - keinerlei Fingerabdrücke oder andere verwertbare Spuren.
Ein umstrittener AnschlagAm 8. August 1985 explodiert um 7.19Uhr eine Autobombe auf dem militärischen Teil der US-Airbase in Frankfurt. Die 50kg-Bombe tötet zwei Menschen, verletzt elf Menschen und richtet einen Sachschaden von einer Million Mark an. Zuvor war in Wiesbaden der 20jährige GI Edward Pimental erschossen worden, um an seine "US Armed Forces Identification Card" zu kommen, mit der man ungehindert den präparierten Wagen auf den Flugplatz fahren konnte. Dieser Mord wurde stark von der Linken kritisiert und als "Ausdruck fehlender revolutionärer Moral" bezeichnet. Knapp drei Wochen nach der Tat geht bei der Redaktion der Frankfurter Rundschau ein Schreiben ein, in dem die RAF versucht, den Pimental-Mord zu rechtfertigen:
Doch auch diese Erklärung wird von der Linken stark als nachträgliche Rechtfertigung eines überflüssigen Mordes kritisiert. Fünf Monate später übt die RAF Selbstkritik:
Das SiemensvorstandsmitgliedEin weiterer Anschlag erfolgt erst am 9. Juli 1986. Gegen halb acht Uhr morgens explodiert eine Bombe direkt neben dem Fahrzeug des Siemensvorstandsmitglieds Karl-Heinz Beckurts. Der 50kg-Sprengsatz war auf einem am Straßenrand abgestellten Fahrrad mit Mofa-Anhänger deponiert. Daneben, mit einem gelben Plastiksack abgedeckt, sechs Gasflaschen mit einem selbstgefertigten Sprengstoff auf Chlorat-Zucker-Basis. Die Wucht der Detonation schleudert den BMW Beckurts über die Straße in den Straßengraben. Sowohl Beckurts, als auch sein Chauffeur sterben an Ort und Stelle. Beckurts war seinerzeit einer der bedeutendsten Industriemanager und Atomphysiker der BRD und starker Verfechter der Atomenergie.
Der StaatssekretäranwärterAm 10. Oktober 1986 arbeitet Gerold von Braunmühl bis spät in die Nacht. Er ist Leiter der Abteilung 2 des Auswärtigen Amt, verantwortlich für Europäische Zusammenarbeit, Europarat, Westeuropäische Union, NATO, Beziehungen mit westeuropäischen Staaten, Amerika und Kanada sowie den Ost-West-Beziehungen. Er gilt als aussichtsreichster Anwärter auf einen Posten als Staatssekretär beim auswärtigen Amt. Er fährt mit dem Taxi von seinem Arbeitsplatz in Bonn nach Hause nach Ippendorf einem kleinen Vorort von Bonn. Als er aussteigt kommt ein mit Wollmütze vermummter Mann auf ihn zu und schießt ihm zwei Kugeln in den Oberkörper. Von Braunmühl versucht hinter einen parkenden PKW zu fliehen als plötzlich ein zweiter Vermummter auftaucht und ihm aus nächster Nähe in den Kopf schießt, ihm die Aktentasche entreißt und mit seinem Komplizen in der Nacht verschwindet. Die Kugel die man später in seinem Kopf findet, stammt aus der selben Waffe, mit dem bereits die zweite Generation Hans-Martin Schleyer hinrichtete.
Das Herrhausen-AttentatDas AttentatAm 30. November 1989 wurde der Deutsche Bank Vorstand Alfred Herrhausen getötet. Eine mit TNT gefüllte "Hohlladungsmine" ließ die gepanzerte Limousine durch die Luft fliegen, beschädigte die Panzerung und ein Metallteil aus der Tür traf Herrhausens Oberschenkel. Während sein Fahrer Jakob Nix nur leicht verletzt war, verblutete Herrhausen am Tatort, da die Bodyguards keine rechtzeitigen Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiteten. Am Tatort fand man einen RAF-Stern mit der Unterschrift "Kommando Wolfgang Beer" Obwohl Herrhausen im Fahndungskonzept 106 stand, waren dem BKA und der Polizei sämtliche Arbeiten der Terroristen entgangen. So hatten bereits seit August Grabungsarbeiten zur Kabelverlegung stattgefunden. Die Bombe mit der Alfred Herrhausen getötet wurde, wurde durch eine Lichtschranke ausgelöst. Die Bombe selbst war auf einem, an einem Mast gelehnten, Fahrrad montiert.
Das Rohwedder-AttentatSchüsse aus dem DunkelAm 1. April 1991 wurde der Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder erschossen. Als er gegen 23.30 Uhr mit dem Rücken zum Fenster im ersten Stock seines Düsseldorfer Hauses stand, traf ihn ein tödlicher Schuss aus ca. 63m Entfernung. Der Attentäter feuerte noch zwei weitere Schüsse ab, von dem einer seine ins Zimmer gestürzte Frau traf und der dritte Schuss in ein Bücherregal einschlug. Am Tatort fand man ein Bekennerschreiben unterzeichnet mit "Kommando Ulrich Wessel" sowie drei Patronenhülsen vom Typ Kaliber 7,62x51mm - NATO-Standard. Obwohl Rohwedder in das Fahndungskonzept 106 einbezogen war, schlugen auch hier sämtliche Sicherheitsmaßnahmen fehl. So waren beispielsweise nur im Erdgeschoß Fenster mit schusssicherem Panzerglas eingebaut worden, während der erste Stock, in dem Rohwedder erschossen wurde, gänzlich ungeschützt war.
Bad KleinenDie FalleDie Aktion war von langer Zeit sehr gut durchgeplant. Dem Verfassungsschutz war es gelungen einen Spitzel bis an die Kommandoebene der RAF heranzuführen. Klaus Steinmetz ist bereits seit 1982 V-Mann und tief in der Szene. Er machte bei diversen nicht militanten Aktionen wie Einbrüchen oder Demos in der linken Szene mit. Zu Beginn des Jahres 1992 ist er soweit im Umfeld der RAF, dass er im Februar nach Paris eingeladen wird, wo er sich vom 26. bis 27. Februar 1992 aufhält und dort Birgit Hogefeldtrifft. Ein halbes Jahr später, trifft er sie in Boppard am Rhein wieder und ein drittes mal im April 1993. Bei diesem dritten Mal ist auch ein Mann dabei: Wolfgang Grams, was Steinmetz aber erst später erfährt. Man vereinbart ein weiteres Treffen am 24. Juni auf dem Bahnhof von Bad Kleinen einer kleinen Stadt bei Schwerin. Die ganze Zeit ist der Verfassungsschutz über alle Treffen informiert und man nutzt die Zeit ein Konzept zur Festname auszuarbeiten. Dieses Konzept arbeitet die Koordinierungsgruppe Terrorismus aus und man einigt sich auf zwei entscheidende Punkte:
FehlschlägeAlles läuft zunächst nach Plan. Steinmetz trifft am 24. Juni 1993 um 11.57 Uhr in Bad Kleinen ein, Birgit Hogefeld um 13.11 Uhr. Beide fahren mit dem Zug nach Wismar weiter, wo sie sich ein Zimmer mieten. Die ganze Zeit über trägt Steinmetz einen Peilsender bei sich durch den die Beamten ihn ständig orten können. Was er nicht weiß ist, dass man ihm zusätzlich einen "Personenschutzsender" untergeschoben hat, mit dem die Polizei alle Gespräche zwischen Hogefeld und dem V-Mann belauscht. Am 27. Juni 1993 fahren beide zurück nach Bad Kleinen, wo sie um 12.58 ankommen. Um sie herum sind zu diesem Zeitpunkt 38 BKA-Leute, 37 GSG9-Männer und 22 weitere Beamte tätig. Klaus Steinmetz und Birgit Hogefeld warten in der Bahnhofsgaststätte "Billard-Café". Um 14 Uhr verlässt sie das Café um den angekommenen Wolfgang Grams zu begrüßen und mit ihm in das Café zurück zukehren. Um 15.15 Uhr verlassen alle drei die Gaststätte und gehen durch die Bahnhofsunterführung. Hier erfolgt der Zugriff durch sieben vermummte GSG9-Beamte. Während Hogefeld und Steinmetz überwältigt und gefesselt werden können, hastet Grams die Stufen zum Bahnsteig hinauf 10 Meter hinter ihm die GSG9-Beamten von denen einige bereits ihre Waffen gezogen haben. Oben angekommen bleibt Grams stehen und feuert, die Waffe in beiden Händen, in die Verfolgermenge, dabei trifft er den 25jährigen Beamten Michael Newrzella der später im Krankenhaus seiner Schussverletzungen erliegt. Die GSG9 feuern ihrerseits zurück und verletzen sowohl Grams als auch eine Bahnbedienstete. Die gesamte Schießerei dauert gerade mal 6 Sekunden. Von Kugeln getroffen fällt Grams auf die Gleise wo er auf dem Rücken liegen bleibt. In der offiziellen Version des "Zwischenbericht der Bundesregierung zu der Polizeiaktion am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen" heißt es: "Beamter Nr.6 stürmte vor, in kurzem Abstand gefolgt vom Beamten Nr.8 Beide sicherten in stehender, leicht vorgebeugter Haltung den in Gleis 4 liegenden Grams." Ganz anders will es die Kioskbesitzerin Joanna Baron gesehen haben: "Der Beamte zielte auf den Kopf und schoss aus nächster Nähe, wenige Zentimeter vom Kopf des Grams entfernt. Dann schoss auch der zweite Beamte auf Grams, aber mehr auf den Bauch oder die Beine. Auch der Beamte schoss mehrmals." Ähnlich die Aussage eines "Antiterror-Spezialisten", den der Spiegel zitiert, ohne seinen Namen zu nennen: "Ein Kollege von der GSG 9 hat aus einer Entfernung von Maximum fünf Zentimetern gefeuert." Offiziell heißt es, dass Grams sich selbst erschossen hat. Dafür spricht der Einschuss in der rechten Schläfe. Dagegen spricht, daß niemand der Beamten sah, dass Grams sich in den Kopf schoß. Eher unwarscheinlich, dass dies niemand mitbekommen hätte.
AuflösungDie Kinkel-InitiativeAnfang 1992 erklärte der damalige Justizminister Kinkel auf dem Drei-Königstreffen, der Staat müsse "dort wo es angebracht ist, zur Versöhnung bereit sein" und über eine vorzeitige Entlassung inhaftierter RAF-Gefangenen nachdenken. Kinkel, der für diese Aussage stark kritisiert wurde, hatte sich zuvor von verschiedenen Seiten Rückhalt geholt: Neben dem damaligen Bundeskanzler Kohl, der Bundesanwaltschaft und dem Bundesamt für Verfassungsschutz auch von der Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung des BKA. Hier war diese Idee entwickelt worden, durch Untersuchungen von Schreiben der RAF, durch Besuche bei den Angehörigen der Inhaftierten und Untersuchungen des Umfeldes, war man zu dem Schluss gekommen, dass die Rote Armee Fraktion mehr und mehr "zu einem Gefangenenbefreiungsverein" entwickelt hatte. Die logische Konsequenz für die Terrorismusexperten war die Freilassung aller RAF-Häftlinge, die "nach der Lage des Gesetzes und einem bisschen guten Willen raus gelassen werden könnten". Drei Monate nachdem Kinkel seinen Schritt auf die RAF zu getan hatte, am 10. April 1992 antwortete diesem mit einem Brief der in der Nachrichten Agentur Agence France-Press (AFP) in Bonn eingeht. In diesem Brief erklärt die RAF die vorläufige Rücknahme der Eskalation und somit den Verzicht auf "Angriffe auf führende Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat" um den "jetzt notwendigen Prozess" zu unterstützen. Auf Grund der Kinkel-Initiative kommen zwischen Januar und September 1993 neun Häftlinge vorzeitig frei: Günther Sonnenberg, Bernhard Rößner, Karl-Friedrich Grosser, Claudia Wannersdorfer, Thomas Thoene, [Name entfernt], Angelika Goder, Bärbel Hofmeier und Christian Kluth. Die Anträge für bekanntere Inhaftierte wie Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer und Hanna Krabbe werden abgelehnt, weil diese sich nicht der für erforderlich gehaltenen psychiatrischen Untersuchung unterziehen wollen, sich stattdessen aber einer Begutachtung durch einen Sozialwissenschaftler stellen würden.
Ein letzter AnschlagIn der Nacht vom 26. zum 27. März 1993 überwanden vier bis fünf Personen die sechseinhalb Meter hohe Betonmauer der soeben fertig gestellten, 250 Millionen Mark teuren Justizvollzugsanstalt Weiterstadt mit zwei Aluleitern und einer selbst gebastelten Strickleiter. Sie waren mit Strumpfmasken maskiert und mit MPs und Pistolen bewaffnet. Sie überwältigeten den Wachmann sowie zehn andere Personen, die sich in dem Gebäude aufhielten, fesselten sie und sperrten sie in einen grünen Lieferwagen, welcher dann einige hundert Meter von der JVA abgestellt wurde. Gegen 5.10 Uhr morgens erschütterten 5 Explosionen die Luft. 200kg Sprengstoff hatten die nagelneue Anstalt in einen Trümmerhaufen verwandelt. Schaden: 100 Millionen Mark. Der höchste Sachschaden in der Geschichte des Terrorismus in der Bundesrepublik.
Die AuflösungNachdem es viele Jahre lang still um die RAF geworden war, ging am 20. April 1998 ein achtseitiges Schreiben bei der Nachrichtenagentur Reuthers ein: "Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF: Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Die RAF zieht ein Resümee aus einem viertel Jahrhundert bewaffneten Kampf und gibt zu, einen Weg zur Befreiung nicht aufzeigen gekonnt zu haben...
Verweise [1] http://www.rafinfo.de/faq/geschichte/warum_gab_es_proteste_gegen_den_schah.244.php |