http://www.rafinfo.de/archiv/raf/raf-29-6-90.php
Anschlag auf Hans NeuselErklärung vom 29. Juli 1990
"Menschen, die sich weigern, den Kampf zu beenden - sie gewinnen entweder oder sie sterben, anstatt zu verlieren und zu sterben." (aus dem letzten Brief von Holger Meins)
José Manuel Sevillano ist tot. Er wurde im Mai nach 177 Tagen Hungerstreik von der spanischen Regierung ermordet.
Die gefangenen Genossinnen und Genossen aus Grapo und PCE(r) kämpfen seit 8 Monaten mit einem harten und langen Streik für ihre Wiederzusammenlegung.
Sie müssen mit ihrer Forderung durchkommen, und sie brauchen dafür die Solidarität und Initiative von allen, denen es ernst ist mit radikaler Veränderung und dem Kampf für eine menschliche Gesellschaft.
Der spanische Staat setzt bisher gegen die Gefangenen die harte Haltung und Folter durch. Bei ihm liegt die Verantwortung und Entscheidung, aber die Richtlinien dafür werden in westeuropäischen und NATO-Gremien festgelegt, und deshalb ist die BRD als führende europäische Macht genauso für den Tod von José Manuel Sevillano verantwortlich.
Am 2 7.7.90 haben wir mit dem "Kommando José Manuel Sevillano" den Aufstandsbekämpfungs-Experten Hans Neusel, Staatssekretär im Bonner Innenministerium, angegriffen.
Wir haben das militärische Ziel der Aktion verfehlt - die Explosion sollte seinen sicheren Tod, aber auch den hundertprozentigen Schutz Unbeteiligter gewährleisten. In dieser Spanne haben wir die Sprengstoffmenge zu niedrig berechnet.
Wir wollten Neusel für seine Verbrechen zur Verantwortung ziehen. Er organisiert und führt den Krieg gegen alle, die für Befreiung, Selbstbestimmung und ein menschenwürdiges Leben und gegen die Zerstörung, die von diesem System ausgeht, kämpfen.
Neusel ist seit '85 treibende Kraft bei vielen Trevi-Treffen, von ihm gingen zahlreiche Initiativen zur Intensivierung und Vereinheitlichung der westeuropäischen Aufstandsbekämpfung und menschenverachtenden Flüchtlingspolitik aus. Daß sich seit '87 "Terrorismus-Experten" der Weltwirtschafts-Gipfel-Staaten regelmäßig treffen, geht auf die Initiative Neusels und des französischen Innenministers zurück.
In allen Krisenstäben, die mit Widerstandsbekämpfung zu tun haben (ob wegen der Entführung von Managern deutscher Multis im Libanon, Koordinierung der Fahndung nach Aktionen von uns ...), und den Geheimdienstausschüssen der Regierung ist Neusel entweder Mitglied, oft auch Vorsitzender.
Im Frühjahr ,89, als die Gefangenen hier im Hungerstreik waren, um ihre Zusammenlegung zu erkämpfen, war Neusel (vor der Ernennung von Schäuble zum Innenminister) faktisch Chef des Ministeriums. Zimmermann hatte sich schon lange vorher inoffiziell aus dieser Funktion verabschiedet. In dieser Zeit pushte das Innenministerium offensiv die Parole: "Der Staat darf sich nicht von diesen Gefangenen erpressen lassen."
Bei Treffen von Vertretern der Länderjustizministerien war Neusel dabei, um dort die Linie des Innenministeriums zu vertreten.
Im Zusammenhang mit dem Hungerstreik hier war von Anfang an klar: Solange die harte Haltung der Regierung nicht durch den Kampf der Gefangenen und all derer, die die Durchsetzung der Forderung nach Zusammenlegung zu ihrer eigenen Sache gemacht hatten, gebrochen ist, solange ist Neusel Teil der Fraktion, die über die Leichen unserer Genossinnen und Genossen gehen will. Diese eisenharte NATO-Linie vertritt Neusel für die Bundesregierung aktuell in dem Angriff der westeuropäischen Bestie gegen die gefangenen Revolutionäre in Spanien.
Neusel verkörpert - wenn auch indirekt- die personelle Kontinuität des deutschen Faschismus vom 3. Reich zum "Großdeutschland", das auf das 4. Reich zusteuert. Er hat seine politische Karriere über viele Jahre an der Seite von Alt-Nazi und Ex-Bundespräsident Carstens gemacht und formuliert auch öffentlich seine faschistischen Gedanken und Ideen ohne jeden Versuch einer schein-demokratischen Ummäntelung. Als es ,87 um die Aufnahme von 14 chilenischen gefangenen Revolutionären ging, die von dem faschistischen Militärregime zum Tode verurteilt worden waren, verlangte Neusel zuvor von ihnen die "Entkräftung der gegen sie erhobenen Vorwürfe" - was nichts anderes hieß, als daß er ihre Hinrichtung forderte.
Neusel hat die Entscheidung über den Einsatz der GSG 9 und ist beteiligt an der Entscheidung darüber, wer von dieser Killertruppe ausgebildet wird, wie z. B. türkische Spezialeinheiten, die heute in Kurdistan das Volk niedermetzeln.
Die Offensive gegen die Gefangenen in Spanien, mit der sich die sozialistische Regierung unter González endgültig -gerade in Hinblick auf "Europa '92" - als zuverlässiges Mitglied der Kernstaaten des europäischen Machtblocks profilieren will, läuft mit voller Rückendeckung der übrigen westeuropäischen Staaten. Dieser Block mit der BRD an der Spitze hat sich heute zur Weltmacht aufgeschwungen und muß gegen die sich ständig verschärfenden Widersprüche, die sich schon lange nicht mehr befrieden lassen, die innere Stabilität durchsetzen. Vor diesem Hintergrund läuft aktuell quer durch alle westeuropäischen Länder der Versuch, jeden Gedanken an Widerstand und Selbstbestimmung im eisernen Würgegriff und der permanenten Demonstration der Totalität ihrer Macht zu ersticken.
Und in diesem Zusammenhang hat die Frage, ob die Gefangenen in Spanien mit ihrem Kampf durchkommen, für die gesamte nächste Phase, demn Neuaufbau revolutionärer Praxis in Westeuropa, große Bedeutung.
So wie der BRD-Staat '77 versucht hat, über unsere Niederlage ein für allemal mit dem Problem der Guerilla Schluß zu machen und gleichzeitig die gesamte Linke hier in tiefe Resignation und Ohnmacht zu stürzen, so zielt der Angriff auf die Gefangenen aus Grapo und PCE(R) zugleich auf die gesamte revolutionäre Bewegung und alle fortschrittlichen Kräfte in Westeuropa.
Die Zerschlagung der Gefangenenkollektive und die Isolierung der Genossinnen und Genossen soll einen Umschlag in der Entwicklung der letzten Jahre einleiten, und das genau an der Frage, wo die Einheit und das Bewußtsein über die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns quer durch Westeuropa in den revolutionären Bewegungen und bei vielen, denen es um radikale Veränderungen geht, am weitesten entwickelt ist.
Der Versuch, diesen Umschlag jetzt durchzusetzen, kommt aus der internationalen Entwicklung: Der Imperialismus hat den Kalten Krieg gewonnen. Die Auflösung des sozialistischen Blocks und damit auch seiner historischen Funktion für die Befreiungsprozesse im Trikont hat zu einer neuen Stabilisierung des imperialistischen Machtblocks geführt. Die rasende Entwicklung der letzten Monate und die Einverleibung der DDR hat die BRD innerhalb Westeuropas zu uneingeschränkter Vormacht und den ganzen westeuropäischen Block zur Weltmacht gebracht.
Aus dieser Machtposition versuchen sie heute, an jedem Punkt Terrain gegen alle revolutionären Kämpfe und Kämpfe um Lebensbedingungen zurückzugewinnen und da, wo von unten schon Ziele durchgesetzt wurden, die Entwicklung wieder zurückzudrehen.
Seit Anfang/Mitte der 80er Jahre, als der Befreiungsprozeß weltweit an Grenzen gestoßen war, mußten die Kämpfenden überall anfangen, nach neuen Wegen zu suchen.
Das hieß in vielen Ländern im Trikont, daß zu den revolutionären Befreiungsbewegungen Basisbewegungen entstanden sind, die für die Veränderung der unmenschlichen und unwürdigen Lebensbedingungen kämpfen und angefangen haben, ihren Alltag selbst zu organisieren.
So hat sieh in verschiedenen Ländern (die Intifada in Palästina und Kurdistan oder die Befreiungsbewegungen in El Salvador oder den Philippinen) eine Macht von unten herausgebildet, die neben der reaktionären Staatsmacht existiert.
Diese Entwicklung hat ihren Ausdruck auch in den Metropolen. Die Kämpfe, die sich in den letzten Jahren hier entwickelt haben und in denen unterschiedliche Menschen zusammengekommen sind, sind Kämpfe für Veränderungen hier und sofort.
Zum einen richten sie sich gegen zerstörerische imperialistische Projekte. Zum anderen sind aus der Erfahrung vieler, daß der kapitalistische Alltag mit Konkurrenz, der Beziehungslosigkeit der Menschen untereinander, dem Leben in der Isolation zerstörerisch ist, Kämpfe für selbstbestimmte Lebenszusammenhänge entstanden. Das ist der Kern davon, daß in ganz Westeuropa z. B. Hausbesetzerbewegungen entstanden.
Da, wo sich Menschen selbstbestimmte Räume erkämpft haben, sind neue Möglichkeiten und Bezugspunkte für die Herausbildung einer revolutionären Bewegung entstanden.
Diese Entwicklung wollen sie zurückdrehen und umkehren. Die aktuellen Projekte der Konterrevolution: Zerschlagung der Gefangenenkollektive in Spanien, die Niederschlagung von Gefangenenrevolten in mehreren Ländern, die brutale Räumung seit Jahren besetzter Häuser und Knaststrafen in Groningen (NL), Dänemark, die Razzien und Hetze gegen die Hafenstraße stehen da in einer Reihe.
Sie zielen gegen alle Ansätze, die wie z.B. der Hafen hier dafür stehen, daß es möglich ist, gegen ihren Machtapparat eigene Ziele durchzusetzen, daß gegen den kapitalistischen 24-Stunden-Alltag eine von den Menschen bestimmte Wirklichkeit existieren kann. Gegenüber der internationalen Entwicklung, aber gerade auch gegenüber dem faschistischen Durchmarsch und Aufschwingen der BRD zur neuen großdeutschen Weltmacht, sagen viele Genossen und andere Menschen, die gegen dieses System der Unterdrückung und Unmenschlichkeit aufgestanden sind, daß wir keine Chance haben durchzukommen, weil der Feind übermächtig sei und die Kräfte für die Umwälzung schwach.
Und das ist die andere Seite: Diese Resignation und zum Teil auch Lähmung verhindert viele Initiativen, die Schritte im Neuaufbau einer starken revolutionären Bewegung sein könnten.
Die Entscheidung gegen das imperialistische System und für eine Welt, in der die Menschen selbstbestimmt und frei leben können, zu kämpfen, kann nicht davon abhängig sein, ob die eigene Seite oder der Feind in einer bestimmten Phase stark ist, also ob der Sieg in greifbarer Nähe liegt oder in einem langen Kampf durchgefochten werden muß.
Die Entscheidung für den revolutionären Kampf kann nur aus der eigenen Erfahrung im System und seiner Brutalität und Zerstörung kommen und aus den eigenen Zielen und Vorstellungen -eben, wie man leben will.
Wir denken, daß ein wichtiger Schlüssel für viele, aber auch für die nächsten Schritte im Aufbau von revolutionärer Gegenmacht darin liegt, sieh diese Erfahrung, denn die ist bei jedem Mensch die Wurzel für den eigenen Aufbruch, bewußt zu machen.
Die Erfahrung der Zerstörung durch das System kann zur bewußten und endgültigen Entscheidung für die Umwälzung der herrschenden Realität und für ein selbstbestimmtes und -organisiertes Leben gebracht werden.
Wir alle müssen es jetzt anpacken, zur gemeinsamen Kraft zu werden. Die Entscheidung, die Aktion gegen Neusel jetzt und im Zusammenhang mit dem Streik in Spanien zu machen, ist für uns ein neuer Schritt auf dem Weg, zusammen Gegenmacht aufzubauen im gemeinsamen Kampf für die Durchsetzung einer Forderung, die Brennpunkt in der gesamten Auseinandersetzung ist.
Wir hatten nicht von Anfang an vor, in die Entwicklung des Hungerstreiks der spanischen Genossen und Genossinnen zu intervenieren. Erst nachdem klar war, daß selbst nach dem Mord an José Manuel Sevillano und den sich daran verschärfenden Widersprüchen in Spanien selbst und den vielen und vielfältigen Initiativen in anderen westeuropäischen Ländern für die Durchsetzung der Forderung, die González-Regierung an ihrer harten Haltung festhalten will, und eben der Einschätzung, daß der westeuropäische Block an der Zerschlagung der Gefangenenkollektive in Spanien und der Liquidierung der Genossen dort die ganze Entwicklung und Bedingungen für alle Kämpfe zurückdrehen und umkehren will - haben wir uns zur bewaffneten Intervention entschlossen.
Nur eine bewaffnete Aktion konnte diese festgefressene Situation wieder offen machen.
Sie kann alle Initiativen, die zum Streik bis jetzt gelaufen sind, zu neuer Schärfe bringen, und sie macht vor allem einen neuen Anlauf möglich, weil sie den politischen Raum dafür aufmacht. Jede Initiative, die jetzt kommt, zählt!
Es ist heute so und wird aus den unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Ländern und der verschiedenen Schwerpunkte, die die Kämpfenden in diesen Ländern für sich bestimmen, weiter so sein, daß sich die antiimperialistische Front in Westeuropa aus einer Vielfalt von Kämpfen zusammensetzt.
Wir denken, daß es jetzt möglich ist und ein erster gemeinsamer Schritt im Neuaufbau einer starken revolutionären Bewegung sein kann, daß wir uns über die Brennpunkte in der Konfrontation Imperialismus/Befreiung verständigen, um daran zur gemeinsamen Intervention zu kommen.
So soll unser Angriff jetzt in zwei Richtungen wirken. Die eine, konkret zur Durchsetzung der Forderung der Gefangenen und im Aufbau revolutionärer Gegenmacht in Westeuropa, und die andere, als Einleitung einer langen Kampfphase gegen die neuentstandene großdeutsche/westeuropäische Weltmacht.
Die BRD und die neuen Machteliten der DDR verfolgen mit dem Schritt zum Großdeutschland dieselben Ziele und imperialen Pläne wie der Nazi-Faschismus.
Der dritte Überfall, den das deutsche Kapital in diesem Jahrhundert auf die Völker Europas führt, wird nicht mit militärischen Mitteln, sondern mit den Mitteln der Wirtschaft und Politik geführt. Die Unterwerfung von Millionen Menschen unter die Prinzipien von Markt, Profit und Warenstruktur bringt neues Leid und Elend für die Völker. Es werden diesmal nicht Millionen Tote und aus-gelöschte Menschen sein, sondern Millionen entwürdigte und unterdrückte Menschen, die an der Zerstörung ihrer Lebensstrukturen und menschlichen Beziehungen verzweifeln sind innerlich - in ihrer Seele - zugrunde gehen sollen.
Und auf der Basis der neuen Macht, die das BRD-Kapital an der Spitze Westeuropas aus dieser Entwicklung zieht, wollen sie zu einer neuen Runde in der Unterwerfung und Ausplünderung der Völker im Trikont ausholen.
Wir stellen uns mit aller Kraft gegen diese Entwicklung, weil es unsere Aufgabe im internationalen Klassenkrieg ist, sie mit diesen Plänen nicht durchkommen zu lassen. Gegen den Sprung der westeuropäischen Bestie unseren Sprung im Aufbau revolutionärer Gegenmacht!
Die Wiederzusammenlegung der Gefangenen von Grapo und PCE(r) gemeinsam durchsetzen -
die Zusammenlegung aller revolutionären Gefangenen und damit die Perspektive für ihre Freiheit erkämpfen!
Krieg der Weltmacht BRD/Westeuropa! Den bewaffneten Kampf organisieren!
Zusammen kämpfen, und wir werden zusammen siegen!
Kommando José Manuel Sevillano
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